Wie würden Schüler:innen TikTok in den Schulunterricht integrieren und wie stehen sie zum Einsatz der Plattform in der Schule?
Forschungswerkstatt: „Medienbildung und Schulentwicklung. Methoden und Konzepte auf dem Prüfstand“ 2022/23 – Andreas Hedrich
Autor*innen: Ludger Bielig, Franziska Grau, Carla Busch
Zusammenfassung:
Neue soziale Medien sind auf Grund ihrer Popularität in den letzten Jahren Gegenstand vieler verschiedener Forschungen geworden. Beliebte Plattformen, wie YouTube, Instagram, TikTok und co. sind für viele erwachsene Personen längst ein Teil der Alltagsrealität geworden und für viele Kinder und Jugendliche ein selbstverständlicher und immer da gewesener Aspekt der Lebensrealität. Besonders auf die letztere Gruppe fokussiert sich der aktuelle Forschungsstand in Hinblick auf Konsequenzen in der Erziehung und der Bildung. Die Recherche nach sozialen Medien in Verbindung mit Kindern suggeriert einen eindeutigen Handlungsbedarf aufgrund der Vielzahl von Gefahren, denen sich Kindern und Jugendlichen aussetzen, sobald sie mit sozialen Medien in Kontakt kommen. Dabei wird immer wieder verdeutlicht, welche Risiken im Online-Space besonders für Kinder und Jugendliche relevant sind (vgl. Glaser & Lübbesmeyer 2019; Leingartner 2017; Stecher et al. 2020). Im Kontrast hierzu steht die Annahme, dass der Einsatz digitaler Medien, zu denen TikTok und andere neue soziale Medien zählen, im Vergleich zu herkömmlichen analogen Methoden und Materialien, zur Motivationssteigerung bei Schüler:innen führte (vgl. Scharpf & Gabes 2022, S. 88). TikTok bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ihre eigene Identität auf kreativer und unterhaltsamer Weise auszudrücken und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Auf Grund der Beliebtheit der Plattform ergibt sich die Grundannahme, dass Schüler:innen eine grundlegend positive Einstellung gegenüber der Integration von TikTok in den Schulalltag und in den Schulunterricht aufweisen würden. Die Annahme, TikTok als motivationsförderndes Tool im Schulunterricht zu nutzen, scheint daher zunächst plausibel und vorteilhaft für den Lernprozess der Schüler:innen. Aber welche Haltungen und Meinungen vertreten Schüler:innen zu der dargelegten Thematik? Im Rahmen einer Gruppendiskussion mit 12 Schüler:innen wurde folgender Frage nachgegangen: „Wie würden Schüler:innen TikTok in den Schulunterricht integrieren und wie stehen sie zu dem Einsatz der Plattform in der Schule?“
Methode:
- Qualitative Forschungsmethode
- Erhebung im Rahmen einer ermittelnden Gruppendiskussion (vgl. Lamnek 2010, S. 376)
- 12 Schüler:innen (5 W / 7 M) ; 10. Klasse (Stadtteilschule)
- Auswertung mithilfe einer zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse (induktive Kategorienbildung) nach Mayring (vgl. Mayring 2022, S. 84)
Ergebnisse:
Nachdem die Gruppendiskussion durchgeführt wurde, konnten viele Ergebnisse bezüglich der Fragestellung festgehalten werden.
Zu Beginn der Gruppendiskussion wurden verschiedene Daten erhoben, die die Nutzungsweise von TikTok aller Teilnehmer:innen darlegen. Dabei kam heraus, dass die meisten Schüler:innen knapp zwei Stunden pro Tag in der App verbringen, andere zwei bis vier Stunden und eine Person verbringt zwischen vier und sechs Stunden auf TikTok. Besonders beliebt sind die Genres Fitness, Fashion and Beauty und Musik/Tanz. Weniger intensiv geschaut werden Videos zu informativen Inhalten, Lifehacks oder Memes.
Die Schüler:innen wurden ferner gefragt, ob sie TikTok eher passiv nutzen oder, ob sie auch aktiv eigene Videos erstellen. Bei dieser Abfrage zeigte sich, dass fünf der zwölf Schüler:innen TikTok nur passiv nutzen, eine Schülerin ordnet sich zwischen aktiv und passiv ein und die andere Hälfte gehört zu den aktiven TikTok Nutzer:innen. Die Ergebnisse zu diesem Zeitpunkt wurden von uns ähnlich erwartet.
Im zweiten Schritt der Gruppendiskussion sollten konkrete Möglichkeiten, wie TikTok im Unterricht eingesetzt werden kann, gesammelt und danach diskutiert werden. Die Schüler:innen konnten für verschiedene Fächer Unterrichtsideen sammeln. Beispielsweise könnten Tanzvideos oder Sportchallenges im Sportunterricht genutzt werden oder Dilemmata Situationen, die auf TikTok dargestellt werden, im Philosophie- oder Ethikunterricht diskutiert werden. Außerdem wurde häufig von Lernvideos mit Tipps und Tricks für verschiedene Fächer gesprochen oder Videos, die bei der Aussprache einer Fremdsprache unterstützen. Wie Schüler:innen TikTok in den Schulunterricht integrieren würden, konnten wir in diesem Teil der Gruppendiskussion beantworten.
Im Anschluss daran diskutierten die Schüler:innen verschiedene Pro- und Contra-Argumente zur Integration von TikTok in den Schulunterricht. Die Schüler:innen waren der Meinung, dass TikTok etwas Neues, Angesagtes und Abwechslungsreiches ist, was im Unterricht Zeit einspart und motivierend wirken kann. Als schwierig sahen sie dabei die praktische Umsetzung, aufgrund von Jugend- und Datenschutzbarrieren, an. Die Schüler:innen diskutierten auch die mit der Nutzung einhergehenden Gefahren und reflektierten damit verbundene Probleme. Dazu führten sie aus, dass die Nutzung von TikTok in der Schule den Suchtfaktor von Social Media und die Bildschirmzeit zusätzlich erhöhen würden.Anders als erwartet, sprachen sich am Ende der Gruppendiskussion 11 von 12 Schüler:innen gegen die Integration von TikTok im Schulunterricht aus. Trotz vieler Ideen und positiver Argumente soll für die Teilnehmenden TikTok weiterhin eine Freizeitbeschäftigung bleiben.
Literatur:
Glaser, Stefan; Lübbesmeyer, Nina (2019): Kinder und Jugendliche sicher in Social Media? In: JMS 42 (1), S. 6.
Lamnek, Siegfried (2010): Qualitative Sozialforschung. 5. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz.
Leingartner, Lea (2017): Gewalt und neue soziale Medien: Eine neue Form von Gewalt im Kindes- und Jugendalter. In: Soz. Kap. 17, S. 36–45.
Mayring, Philipp (2022): Qualitative Inhaltsanalyse. 13., überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz.
Scharpf, Stephanie; Gabes, Daniela (2022): Motivation und digitale Medien am Beispiel des Sachunterrichts. In: Digitalisierung in der Grundschule. Grundlagen, Gelingensbedingungen und didaktische Konzeptionen am Beispiel des Fach Sachunterrichts. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
Stecher, Sina; Bamberger, Anja; Gebel, Christa; Cousseran, Laura; Brüggen, Niels (2020): „Du bist voll unbekannt!“. Selbstdarstellung, Erfolgsdruck und Interaktionsrisiken auf TikTok aus Sicht von 12- bis 14-Jährigen. Ausgewählte Ergebnisse der Monitoring-Studie. Unter Mitarbeit von Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.