Forschungswerkstatt:

Leistungsbeurteilung und Urteilsverzerrungen – WiSe 21/22 – Prof. Dr. Jan Retelsdorf

Autorin:

Maja Waßmuth

Ist das Phänomen der situativen Wirkung durch stereotype Bedrohung bezüglich des Geschlechts auch schon im Grundschulalter zu beobachten?

Zusammenfassung:

Stereotype Threat bezeichnet das Phänomen, dass eine situative Bedrohung in Form der Aktivierung eines negativen Stereotyps zu reduzierten Leistungen führen kann. Dieser Effekt konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, jedoch fand die Untersuchung zumeist mit älteren Schüler*innen und Erwachsenen im Rahmen von Einzeltestungen im Labor statt.

Ziel dieser Forschung war es, festzustellen, ob die stereotype Bedrohung schon im Grundschulalter zu beobachten ist – und zwar im realen Klassenkontext. Untersucht wurde dies in zwei dritten Klassen im Fach Mathematik.

Dabei wurde erwartet, dass sich die stereotype Bedrohung negativ auf die Leistung der Mädchen auswirkt, während dieser Effekt bei den Jungen nicht auftritt.

Methode:

Die Untersuchung wurde in beiden Klassen je zweimalig unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt. In beiden Bedingungen wurde ein Leistungstest mit insgesamt 12 Mathematik-Aufgaben bearbeitet. Der zweite Durchlauf (= Bedrohungsbedingung) zeichnete sich durch eine mündliche Manipulation bezüglich des Stereotyps aus, Jungen wiesen bessere Leistungen in Mathematik auf als Mädchen.

Ergebnisse:

Es konnte festgestellt werden, dass die Mädchen in der Bedrohungsbedingung im Vergleich zur Kontrollbedingung bei dem Mathematik-Test zwar schlechter abschnitten, jedoch nicht signifikant. Im Gegensatz dazu schnitten die Jungen in der Bedrohungsbedingung leicht besser ab (aber ebenfalls nicht signifikant). Damit konnte die zuvor aufgestellte Hypothese nicht gestützt werden; eine Tendenz zu schlechteren Leistungen unter der stereotypen Bedrohung zeichnete sich bei den Mädchen zwar ab, jedoch waren die Leistungen nicht signifikant schlechter.

Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Ergebnisse darauf hindeuten, dass es den Effekt in der Grundschule noch nicht gibt, oder ob diese mit anderen Faktoren zu begründen sind. Es könnte beispielsweise sein, dass die Stichprobe zu klein ist, um einen Effekt nachzuweisen.