Welche Bedeutung haben Teachfluencer*innen für Lehramtsstudierende?

Forschungswerkstatt: „Medienbildung und Schulentwicklung. Methoden und Konzepte auf dem Prüfstand“ 2023/24 – Andreas Hedrich

Autorinnen: Jacqueline Metz und Kim Niklowitz

Zusammenfassung: Social Media-Plattformen wie Youtube, Instagram, TikTok etc. haben im heutigen digitalen Zeitalter einen wichtigen Stellenwert in unserer Gesellschaft eingenommen. Mit der aufstrebenden Bedeutung von Social Media hat sich in den letzten Jahren die neue Berufsgruppe der sogenannten Influencer*innen etabliert, die in unterschiedlichen Lebensbereichen Einfluss auf ihre Follower*innenschaft nehmen. Hierzu lässt sich im Bildungsbereich die noch junge Untergruppe der Teachfluencer*innen identifizieren. Sie sind Lehrkräfte, die ihren Alltag auf Social Media teilen, so zeigen sie u.a. ihre Morgenroutine, geben Tipps und Tricks für den Unterricht sowie (kritische) Denkanstöße zum System “Schule” und vermarkten eigene Unterrichtsmaterialien. Zu ihrer Hauptzielgruppe zählen dabei andere (angehende) Lehrkräfte. Es ergab sich daher die Frage, welche Bedeutung Teachfluencer*innen bereits für Lehramtsstudierende haben. Dies wurde anhand von drei Hypothesen untersucht. Erstens war die Korrelation zwischen dem Alter der Studierenden und der Bekanntheit von Teachfluencer*innenaccounts relevant, zweitens der Einfluss von Teachfluencer*innen auf den eigenen Unterricht von Lehramtsstudierenden und drittens wurden Gefahren und Potenziale untersucht.

Methode: Um die Forschungsfrage beantworten zu können, wurde ein Mixed-Methods-Ansatz für das Forschungsdesign gewählt. Dabei überwiegt jedoch der Anteil der quantitativen Forschungsmethode. Auf der Plattform LimeSurvey wurde ein Online-Fragebogen erstellt, der 100 Lehramtsstudierende der Universität Hamburg erreichte. Sogenannte „missing values“, bspw. durch das vorzeitige Abbrechen des Fragebogens, wurden im Auswertungsprozess bereinigt, sodass alle Daten erfolgreich in die Analyse einfließen konnten. Die Umfrage enthält bis auf eine Ausnahme geschlossene Fragen, die quantitativ in dem Programm SPSS ausgewertet wurden. Eine offene Frage, die auf die persönliche Wahrnehmung von Gefahren und Potenzialen der Teilnehmenden abzielt, wurde qualitativ mithilfe des Programmes MAXQDA ausgewertet. 

Ergebnisse: Aufgrund des eingeschränkten Umfangs in diesem Blog kann nur auf die wichtigsten Ergebnisse eingegangen werden.

Hypothese 1: Jüngere Lehramtsstudierende kennen und folgen mehr Teachfluencer*innen als ältere Lehramtsstudierende.

Um herauszufinden, ob es Unterschiede hinsichtlich des Alters von Lehramtsstudierenden in Bezug auf das Kennen bzw. Folgen von Teachfluencer*innen gibt, wurde zunächst das genaue Alter der Lehramtsstudierenden abgefragt, um diese anschließend nach Generationen (vgl. Dimock, 2019, S. 3f.) kategorisieren zu können. 75,6 Prozent der Teilnehmenden gehören der Generation Z an (18-26 Jahre), 24,4 Prozent der Generation X bzw. den Millennials (27-42 Jahre). Anschließend wurde u.a. gefragt, ob die Teilnehmenden Accounts von Teachfluencer*innen kennen, wobei 72 Prozent der Generation Z und 50 Prozent der Generation X mit „Ja“ geantwortet haben. Eine weitere Frage, die nur 57 Teilnehmenden angezeigt wurde – also denjenigen, die zuvor mit „Ja“ geantwortet haben – zielte darauf ab, ob die Teilnehmenden Accounts von Teachfluencer*innen auch folgen. Hierbei antworteten 36 Prozent aus der Generation Z und 60 Prozent der Generation X mit „Ja“. Es lässt sich also festhalten, dass jüngere Teilnehmende eher Accounts von Teachfluencer*innen kennen, ältere Teilnehmende allerdings eher folgen, womit die Hypothese 1 nur teils bestätigt werden kann.

Hypothese 2: Teachfluencer*innen beeinflussen die Unterrichtsplanung und -gestaltung von Lehramtsstudierenden hinsichtlich neu kennengelernter Ideen und Methoden.

Um diese Hypothese beantworten zu können, wurden verschiedene Fragen gestellt. Unter anderem kam heraus, dass rund 55 Prozent aller Teilnehmenden neben dem Studium bereits an einer Schule arbeiten, diese Gruppe somit schon regelmäßig Unterricht planen und vorbereiten müssen. Speziell diese Teilnehmenden wurden daher gefragt, ob sie bereits Inhalte der Teachfluencer*innen in den eigenen Unterricht integriert haben. Ein Großteil (71 Prozent) hat hier mit „Nein“ geantwortet, trotzdem haben fast ein Drittel der Befragten (29 Prozent) bereits Inhalte von Teachfluencer*innen für den eigenen Unterricht genutzt. Alle Teilnehmenden wurden befragt, wie gut sie sich vorstellen könnten, folgende Inhalte von Teachfluencer*innen in den eigenen Unterricht zu integrieren. Die einflussreichsten Kategorien waren dabei Methoden (72 Prozent Zustimmung), Materialien (68 Prozent Zustimmung) und Unterrichtsplanung (62 Prozent Zustimmung). Hypothese 2 lässt sich somit bestätigen, weil die Inhalte von Teachfluencer*innen bereits die Unterrichtsplanung und -gestaltung von einigen Lehramtsstudierenden beeinflusst und viele weitere nicht abgeneigt sind, solche Inhalte zukünftig selbst zu nutzen.

Hypothese 3: Lehramtsstudierende sind sich den Gefahren bewusst, die die Inhalte/Beiträge der Teachfluencer*innen mit sich bringen/vermitteln.

Die Beantwortung dieser Hypothese erfolgte einerseits durch eine geschlossene Zustimmungsfrage, bei der sieben Aussagen bewertet werden sollten, andererseits durch eine offene Frage, bei der die Teilnehmenden persönliche Sichtweisen von Potenzialen und Gefahren schildern konnten. Die Ergebnisse der geschlossenen Frage waren überraschend, denn die Meinungen waren sehr gespalten. Bei vielen Aussagen haben rund die Hälfte der Teilnehmenden mit stimme (eher) zu geantwortet, die andere Hälfte mit stimme (eher) nicht zu. Einiger waren sie sich bei der Bewertung der Aussage, Teachfluencer*innen würden ein realistisches Idealbild von Unterricht erzeugen. Rund zwei Drittel der Befragten stimmten mit stimme (eher) nicht zu ab, was bedeutet, dass ein Großteil hier eine Gefahr sieht, dass Teachfluencer*innen nicht die Realität widerspiegeln. Hingegen bei der Aussage, Teachfluencer*innen würden dazu verleiten, unpassende/fehlerhafte Inhalte im eigenen Unterricht zu übernehmen, stimmten ebenfalls rund zwei Drittel der Befragten mit stimme (eher) nicht zu ab, was hier jedoch bedeutet, dass die Lehramtsstudierenden diese Problematik eher nicht sehen. Die Ergebnisse der offenen Frage haben ergeben, dass die Teilnehmenden sowohl Potenziale als auch Gefahren bzw. Herausforderungen sehen. Während viele die Inspiration für die Unterrichtsgestaltung und Methoden sowie aktuelle und moderne Materialien hervorhoben, sahen sie jedoch auch Gefahren, bspw. die Beschönigung und Verherrlichung des Berufs oder das bloße Übernehmen der Materialien aus Zeitmangel, ohne den Inhalt und Mehrwert vorher zu überprüfen. Hypothese 3 lässt sich somit insgesamt bestätigen, die Lehramtsstudierenden sind sich zwar – v.a. in der Bewertung der Aussagen der geschlossenen Frage – teils uneinig in ihren Antworten, es zeigt sich jedoch durch die offene Frage, dass sie sich vielen Gefahren durchaus bewusst sind und die damit einhergehenden Probleme wahrnehmen.

Die Ergebnisse der Untersuchung – die Bestätigung der Hypothese 2 und 3 und die teilweise Bestätigung der Hypothese 1 – zeigen, dass Teachfluencer*innen definitiv bereits eine Bedeutung für Lehramtsstudierende haben, obwohl es sie noch nicht so lange gibt. 

Literaturquellen (Auswahl):

  • Baur, N.; Blasius, J. (2022): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. (3. Aufl.) Wiesbaden: Springer.
  • Dimock, M. (2019): Defining generations. Where Millennials end and Generation Z begins. In: Pew Research Center, abrufbar unter: http://tony-silva.com/eslefl/miscstudent/downloadpageartic,es/defgenerations-pew.pdf (letzter Zugriff am: 04.08.2023).
  • Meyring, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. (5. Aufl.) Weinheim/Basel: Beltz Verlag.
  • Rüdiger, J.; Heinz, A.; Décieux, J. P. (2014): Umfrage. Einführung in die Methoden der Umfrageforschung. Berlin: De Gruyter.